Coaching in der Krise – Navigieren durch turbulente Zeiten

Wie globale Krisen Führungskräfte beeinflussen und warum sie den Herausforderungen nicht allein gegenübertreten sollten

Die meisten CEOs stehen vor einem großen Problem: Sie sind weder ausreichend darauf vorbereitet, noch haben sie eine klare Strategie zum Umgang mit globalen Krisensituationen entwickelt. Eine kürzlich veröffentlichte Umfrage des Unternehmens Headspace zeigte: Diese Unsicherheit führt sogar dazu, dass einige der Top-Führungskräfte ihren Mitarbeitenden vorgaukeln würden, alles sei unter Kontrolle – obwohl dem oft nicht so ist (2). Doch wie wichtig ist es wirklich, einen offenen sowie ehrlichen Dialog in Krisenzeiten zu führen? Welche Rolle müssen Führungskräfte dabei einnehmen und wie können sie sich selbst sowie ihre Mitarbeitenden erfolgreich durch turbulente Zeiten navigieren?

Ein Beitrag von Lisa Rätze

 

Globale Krisen und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt

Die Arbeitswelt hat sich seit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie und darüber hinaus erheblich verändert. Die Pandemie zwang Unternehmen weltweit, sich rasch an neue Arbeitsmodelle anzupassen, da Remote-Arbeit und digitale Kommunikation zu entscheidenden Elementen wurden. Die Flexibilität und Resilienz von Organisationen wurden auf die Probe gestellt, während sie sich bemühten, den Betrieb aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen. Homeoffice wurde zur Norm, virtuelle Meetings ersetzten persönliche Interaktionen, und bis dahin wenig oder ungenutzte Technologien wurden zu einem unverzichtbaren Werkzeug, um Geschäftsprozesse fortzuführen.

Neben anhaltenden oder nachwirkenden Herausforderungen durch die Pandemie stehen Unternehmen heute zusätzlich vor weiteren globalen Krisen: Der Ukraine-Krieg und die Inflation sind aktuelle geopolitische Ereignisse, die zusätzliche Unsicherheiten schaffen und die Wirtschaft beeinflussen. Die geopolitischen Spannungen haben Auswirkungen auf globale Lieferketten, Handelsbeziehungen und wirtschaftliche Stabilität. Unternehmen sehen sich mit steigenden Kosten und unbeständigen Märkten konfrontiert, was zu strategischen Anpassungen und einem verstärkten Bedarf an agilen Entscheidungsstrukturen führt.

Die Veränderungen in der Arbeitswelt sind nicht nur auf physische Aspekte beschränkt, sondern betreffen auch die psychologische Belastung der Mitarbeitenden. Die ständige Unsicherheit, sowohl im Zusammenhang mit der Pandemie als auch mit geopolitischen Entwicklungen, kann zu erhöhtem Stress, Angst und einem Gefühl der Instabilität führen. In diesem Kontext wird deutlich, dass die Fähigkeit zur Anpassung und zur Bewältigung von Unsicherheiten zu Schlüsselkompetenz für Führungskräfte und Organisationen geworden ist.

Das Wort 'Krise' stammt vom altgriechischen Wort “krisis” und beschreibt den Wendepunkt für Segelschiffe im Wettkampf – an diesem Punkt muss die Mannschaft ihr ganzes Können und ihre gesamten Fähigkeiten einsetzen, um über Sieg oder Niederlage zu entscheiden. Doch genauso wie Wendepunkte im Wettkampf über Sieg oder Niederlage entscheiden, sind Krisen für Unternehmen Situationen, in denen sie entweder ihre Zukunft verspielen oder entscheidende Wettbewerbsvorteile gewinnen und gestärkt daraus hervorgehen. (5)

In diesem Sinne wird klar, dass Krisen nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für Veränderung und Transformation darstellen. Die Rolle des Coachings wird in diesem Zusammenhang noch bedeutsamer, indem es Führungskräften und Mitarbeitenden gleichermaßen ermöglicht, mit den vielfältigen Herausforderungen umzugehen, ihre psychologische Resilienz zu stärken und den Kurs in Richtung positiver Entwicklung zu lenken.

 

Communication is Key - die Rolle von transparenter Kommunikation

Ein transparenter Umgang mit globalen Krisenzeiten ist von großer Bedeutung. Während einer Krise sollten Unternehmen offen und ehrlich über die aktuellen Herausforderungen kommunizieren. Geheimhaltung oder Verharmlosung können das Vertrauen der Mitarbeitenden beeinträchtigen und zu Unsicherheit führen. Wenn Unternehmen transparent agieren, schaffen sie eine offene Kommunikationskultur, in der Informationen frei fließen. Das ermöglicht den Mitarbeitenden, besser informierte Entscheidungen zu treffen und sich aktiv an Lösungsansätzen zu beteiligen. Durch Transparenz können auch Ängste und Gerüchte vermieden werden, da alle relevanten Informationen klar kommuniziert werden. 

Eine offene Kommunikation während einer Krise kann auch dazu beitragen, das Vertrauen der Kund:innen und Geschäftspartner zu stärken. Wenn ein Unternehmen transparent über seine Herausforderungen spricht und Lösungsansätze präsentiert, zeigt es seine Fähigkeit zur Krisenbewältigung und signalisiert Stabilität. 

Es gibt zahlreiche Beispiele erfolgreicher Unternehmen, die Transparenz als Schlüssel zum Erfolg nutzen. Ein bekanntes Beispiel ist Google, das regelmäßig interne Informationen mit seinen Mitarbeitenden teilt und ihnen so einen umfassenden Einblick in die Unternehmensstrategie gibt. Dies fördert nicht nur das Vertrauen der Mitarbeitenden, sondern auch ihre Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen. Auch Deloitte hat ein Phasenmodell zum Krisenmanagement entwickelt, in welchem die “Respond-Phase”, also der Umgang mit dem Höhepunkt der Krise, sowohl schnelles und direktives Handeln als auch empathische, transparente Kommunikation als hochwirksam beschreibt. (1) 

Insgesamt ist ein transparenter Umgang mit den Auswirkungen globaler Krisen also von großer Bedeutung. Transparenz kann dazu beitragen, Unsicherheit zu reduzieren, Lösungsansätze zu fördern und letztendlich den Erfolg des Unternehmens zu unterstützen.

 

Führungskräfte in einer herausfordernden Doppelrolle

Während die Kommunikationsstrategie auf Unternehmensebene festgelegt wird, sehen sich Führungskräfte in Zeiten der Krise mit einer herausfordernden Doppelrolle konfrontiert. Sie sind nicht nur die Vermittler der Unternehmensbotschaft, sondern auch an vorderster Front und müssen sich den Anliegen und Ängsten ihrer Mitarbeitenden stellen.

In dieser Doppelrolle stehen Führungskräfte vor der Aufgabe, nicht nur für ihre eigene Stabilität und Handlungsfähigkeit zu sorgen, sondern gleichzeitig die Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu übernehmen. Dies erfordert ein hohes Maß an Führungsqualitäten und Einfühlungsvermögen. Eine besonders wichtige Dimension ist die emotionale Unterstützung der Mitarbeitenden, da Ängste, Unsicherheiten und Stress in Krisenzeiten zunehmen können. In dieser Situation ist es für Führungspersonen von entscheidender Bedeutung, als Vorbild zu agieren und ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Mitarbeitenden zu haben. Durch aktives Zuhören und empathische Gespräche können sie dazu beitragen, dass sich die Mitarbeitenden nicht nur gehört, sondern auch unterstützt fühlen, was ein Gefühl der Sicherheit vermittelt. Dabei muss jedoch stets eine professionelle Balance zwischen Empathie und effektivem Management gewahrt werden. Eine Studie von König et al. hat gezeigt, dass zu viel Einfühlungsvermögen dem effektiven Umgang mit der Krise schaden kann, da Führungskräfte sich zunehmend mit den privaten Themen ihrer Mitarbeitenden belasten und ihnen alsbald der “kühle Kopf” fehlt, um die Informationen nüchtern zu betrachten. (3)

Wie bereits erläutert, spielt klare Kommunikation eine zentrale Rolle, jedoch ist es wichtig zu betonen, dass Führungskräfte selbst in einem Spannungsfeld aus eigenen Sorgen und Ängsten agieren. In dieser Doppelrolle müssen sie nicht nur transparente Informationen bereitstellen und mögliche Missverständnisse ausräumen, sondern auch darauf achten, selbst gut informiert zu bleiben. Damit verhindern sie, unbestätigten Gerüchten und Falschinformationen zu erliegen, während sie gleichzeitig eine Atmosphäre des Vertrauens zwischen Mitarbeitenden und Führungsebene aufrechterhalten.

Die Herausforderung liegt nicht nur in der emotionalen Unterstützung und klarer Kommunikation, sondern auch in der Fähigkeit zur Selbstreflexion und -führung. Führungskräfte müssen ihre eigenen Belastungen bewältigen, während sie gleichzeitig die Bedürfnisse ihrer Teams im Blick behalten.

 

Wie kann Coaching helfen?

Bis hierhin wurde eingehend erläutert, wie momentane globale Krisen Unternehmen und Führungskräfte beeinflussen und belasten. Anhand der eingangs erwähnten Studie zeigt sich: Bisher haben Führungskräfte kaum Strategien, um mit diesen Herausforderungen fertig zu werden. Coaching kann individuelle und organisationale Lernprozesse unterstützen, erleichtert den Umgang mit Veränderungen und fördert die Entwicklung von Strategien zur Krisenbewältigung.

Ein wichtiger Coaching Bestandteil auf Individualebene, der in Krisenzeiten eine besondere Rolle spielt, ist die Resilienz. In unseren Insights findest du bereits einen ausführlichen Artikel zu diesem Thema, in dem wir das Konzept Resilienz umfassend erklären: Mehr erfahren

Viele individuelle Resilienztrainings basieren auf den Arbeiten von Reivich und Shatté (2002). Im Kontext globaler Krisenzeiten, in denen Führungskräfte vor einzigartigen Herausforderungen stehen, wird die Bedeutung dieser Resilienzfaktoren immer deutlicher. (4)

1. Emotionssteuerung – Die Kraft der inneren Distanz:

In unsicheren Zeiten ist es entscheidend, negative Emotionen zu erkennen und konstruktiv damit umzugehen. Beispielsweise kann das Erlernen von Achtsamkeitsübungen Führungskräften helfen, emotionale Distanz zu wahren und klar zu denken, selbst in turbulenten Situationen.

2. Impulskontrolle – Fokussiert bleiben trotz des Krisendrucks:

Durch die Entwicklung von Strategien zur Impulskontrolle können Führungskräfte auch unter Druck überlegt handeln und langfristige Ziele im Blick behalten. Ein Beispiel könnte die Implementierung von Aktionsplänen in Krisensituationen sein, um eine klare Handlungsrichtung zu gewährleisten.

3. Kausalanalyse – Lernen aus Misserfolgen:

Indem Führungskräfte Misserfolge gründlich analysieren, können sie Lernprozesse in Gang setzen. Das individuelle Coaching fördert die Selbstreflexion und unterstützt dabei, aus Rückschlägen konstruktive Erkenntnisse zu ziehen und Fehler nicht zu wiederholen.

4. Realistischer Optimismus – Herausforderungen als Chancen sehen:

Die Förderung einer positiven Denkweise und die Entwicklung von Bewältigungsstrategien helfen Führungskräften, Herausforderungen als Chancen zu betrachten. Das Coaching kann sie dabei unterstützen, einen realistischen, optimistischen Blick auf die Zukunft zu bewahren und ihre eigenen Ängsten und Sorgen Raum zu geben.

5. Selbstwirksamkeitsüberzeugung – Das eigene Geschick beeinflussen:

Die Identifikation und Stärkung individueller Kompetenzen fördert die Überzeugung, den anstehenden Herausforderungen gewachsen zu sein. Im 1:1 Coaching könnten das Hervorheben persönlicher Erfolge und die Entwicklung von Strategien zur Selbstmotivation gemeinsam erarbeitet werden.

6. Zielorientierung - Unabhängig von äußeren Meinungen:

In globalen Krisenzeiten ist es wichtig, klare Ziele zu setzen und diese konsequent zu verfolgen. Coaching unterstützt Führungskräfte dabei, sich unabhängig von äußeren Meinungen zu entwickeln und selbstbestimmte Ziele zu erreichen.

7. Empathie – Verständnis in zwischenmenschlichen Beziehungen:

Die Förderung von empathischer Kommunikation stärkt soziale Unterstützungssysteme. Führungskräfte können darin unterstützt werden, die Gefühle ihrer Mitarbeitenden nachzuvollziehen und sich in deren Lage zu versetzen.

Im Zusammenhang mit globalen Krisenzeiten wird deutlich, dass diese Resilienzfaktoren nicht nur persönliche Stärken sind, sondern auch entscheidende Führungskompetenzen darstellen. Coaching bietet einen maßgeschneiderten Ansatz, um Führungskräfte in dieser Doppelrolle zu unterstützen, ihre eigene Resilienz zu stärken und gleichzeitig ihre Teams erfolgreich durch unsichere Zeiten zu führen. Wenn du interessiert daran bist, deine Führungskräfte ebenso im individuellen Setting zu unterstützen, dann nimm gern Kontakt zu uns auf.

 
 

Quellen:

  1. Deloitte (2020). Leadership styles of the future. How COVID-19 is shaping leadership beyond the crisis. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/human-capital-consulting/articles/fuehrung-in-der-krise.html

  2. Headspace (2023). A turn of the tide: Employee mental health in 2023. https://5327495.fs1.hubspotusercontent-na1.net/hubfs/5327495/workforceattitudes-MAY42023.pdf

  3. König, A., Graf-Vlachy, L., Bundy, J., Little, L. (2020). A Blessing and a Curse: How CEOs’ Trait Empathy Affects Their Management of Organizational Crises. Academy of Management Review. https://journals.aom.org/doi/10.5465/amr.2017.0387

  4. Reivich, K., & Shatté, A. (2002). The resilience factor: 7 essential skills for overcoming life's inevitable obstacles. Broadway Books

  5. Thommen, J. (2018). Organisationaler Wandel in Krisenzeiten. In Springer eBooks (S. 715–738). https://doi.org/10.1007/978-3-658-04116-8_21

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